Perinatale Psychiatrie

Die perinatale (oder peripartale) Psychiatrie beschäftigt sich mit psychischen Krisen und Erkrankungen rund um Schwangerschaft, Geburt und Stillzeit.

Rund um die Geburt

Diese Phase im Leben einer Frau und ihrer Familie ist eine sensible – vor allem bei Erstgebärenden – eine oft lebensverändernde. Sie stellt für die Frau eine Herausforderung auf körperlicher und psychischer Ebene dar. In den neun Monaten vor und innerhalb weniger Tage nach der Geburt kommt es zu deutlichen hormonellen Veränderungen, die sich unter anderem auf das Bindegewebe, die Muskulatur und die Psyche auswirken.

Die Lebenssituation der Frau verändert sich zumindest vorübergehend wesentlich, da sich vor allem in den ersten Wochen und Monaten nach der Geburt fast alles um das Baby dreht.

Mögliche Reaktionen auf psychischer Ebene seien im folgenden ohne Anspruch auf Vollständigkeit kurz beschrieben.

Babyblues

Als Babyblues (oder Heultage) wird ein bei 50 bis 75 Prozent der Gebärenden, also sehr häufig vorkommendes Stimmungstief bezeichnet. Der Babyblues hat keinen Krankheitswert und tritt am dritten bis fünften Tag nach der Entbindung für die Dauer von einigen Stunden bis wenigen Tagen auf.

Er äußert sich in Weinerlichkeit, Energielosigkeit, Konzentrationsstörungen und Reizbarkeit, gelegentlich in Verbindung mit Versagensängsten. Diese Verstimmung klingt von selbst wieder ab.

 

Viel seltener und in der Häufigkeit vergleichbar mit dem Auftreten in der Allgemeinbevölkerung sind (zumeist) behandlungswürdige Erkrankungen während der Schwangerschaft und nach der Geburt.

Postpartale Depression

Die postpartale Depression tritt zwei bis zwölf Wochen nach der Geburt auf und kann unbehandelt bis zu einem Jahr dauern. Sie beginnt schleichend und meist mit Schlafstörungen. Hinzu können Ängste, Schuldgefühle und eine Entscheidungsunfähigkeit, nicht selten auch sogenannte psychotische Symptome mit Realitätsverlust kommen. In diesem Fall ist eine medikamentös-psychiatrische Behandlung notwendig, bei leichteren Formen ist Psychotherapie die Behandlung der Wahl.

Depressionen können auch schon während der Schwangerschaft auftreten, insbesondere bei Frauen, die bereits früher eine depressive Episode erlitten haben.  

Postnatale Psychose

Die postnatale Psychose beginnt plötzlich zwei bis 14 Tage nach der Geburt. Krankheitszeichen können ein bizarres Verhalten, heftige und rasch wechselnde Gefühlsäußerungen (Affektlabilität), ungeordnete Gedanken und auch Schlafstörungen sein. Eine psychotische Episode ist eine ernsthafte Erkrankung und verlangt in den meisten Fällen eine stationäre Behandlung.

Ängste, Zwangsgedanken und -handlungen

Als einzelne Symptome können Ängste (z. B. Panikattacken) sowie Zwangsgedanken und/oder -handlungen auftreten. Diese Beschwerden sind in vielen Fällen psychotherapeutisch behandelbar.

Frauen, die bereits vor der Schwangerschaft an einer psychischen Erkrankung gelitten haben, tragen ein höheres Risiko während der Schwangerschaft und der Stillzeit neuerlich zu erkranken. Bei Kinderwunsch oder spätestens bei Eintritt der Schwangerschaft sollten sie daher unbedingt fachärztlichen Rat einholen und eine psychiatrische Betreuung ähnlich der gynäkologischen anstreben. Eine bislang eingenommene Medikation sollte nicht selbstständig abgesetzt werden, da das Beenden der Therapie das Risiko für einen Krankheitsrückfall deutlich erhöht.